Wie politische Ideen Wirklichkeit werden by Jörg Dräger & Christina Tillmann & Frank Frick
Autor:Jörg Dräger & Christina Tillmann & Frank Frick
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Bertelsmann Stiftung
veröffentlicht: 2015-11-15T00:00:00+00:00
2.3.2 Reform durchgesetzt, aber zu welchem Preis? – Die Frauenquote in der Analyse
Das Beispiel der Frauenquote zeigt, wie Reformen durch geschicktes machtpolitisches Handeln auch aus ungünstigen Ausgangslagen heraus auf den Weg gebracht werden können. Entlang der Phasen Agenda Setting sowie Formulierung und Entscheidung wollen wir nachvollziehen, wie es Ursula von der Leyen gelang, ihrer Partei einen Kurswechsel bei der Frauenquote aufzuzwingen – gegen den Widerstand weiter Teile der eigenen Partei und der Parteispitze. Da der Gesetzesentwurf zur Frauenquote während der Arbeit an diesem Buch noch nicht im Bundestag verabschiedet war, muss die Betrachtung der Umsetzungsphase entfallen. Schlaglichtartig beleuchten wir die Erfolgskontrolle, die, wie im ReformKompass vorgesehen, parallel zu allen Phasen der Reform abläuft. Bevor wir den Fall detailliert analysieren, arbeiten wir zunächst das zentrale Erfolgskriterium heraus.
Das Erfolgskriterium Kompetenz spielt bei dieser Reform keine übergeordnete Rolle. Zwar gibt es eine grundsätzlich hohe Zustimmung und Akzeptanz für das Ziel, Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen und Frauen dabei zu unterstützen, mehr Führungspositionen zu übernehmen. Jedoch besteht über den Weg dahin weder in der Wissenschaft noch in Öffentlichkeit oder Politik Einigkeit. Ob die Frauenquote das richtige Instrument ist, wird seit Jahren strittig diskutiert. Dementsprechend haben sich die Fronten verhärtet. Zwar gibt es erfolgreiche internationale Beispiele in Parteien, der Wissenschaft und in Unternehmen (DIW Berlin 2014), genauso aber auch kritische Einschätzungen. Entsprechend wurde hier, zumindest im Vergleich zu anderen Reformen wie der Einführung des Elterngelds, keine wesentliche wissenschaftsbasierte Sachdiskussion geführt.
Aufgrund der verhärteten Fronten hatten die wichtigen Reformakteure kaum kommunikative Maßnahmen ergriffen, um die breite Öffentlichkeit für die Reform zu gewinnen. Angesichts der klaren parteipolitischen Positionierung verfolgten die Reformverantwortlichen auch in der eigenen Partei keine erkennbaren Sensibilisierungsstrategien.
Deutlich mehr Erfolg versprachen sich Ursula von der Leyen und ihre Mitstreiter von einer machtpolitisch- und konfliktorientierten Strategie. Damit kommt dem Erfolgskriterium Kraft zur Durchsetzung eine besondere Bedeutung zu; dieses steht dementsprechend im Zentrum unserer Analyse.
Infobox 6: Die Frauenquote – Zentrale politische Akteure und ihre Positionen im Überblick
•Ursula von der Leyen: Als Bundesministerin für Arbeit und Soziales setzte sie sich für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie mehr Geschlechtergerechtigkeit ein. Sie sprach sich frühzeitig öffentlich für eine gesetzlich bindende Frauenquote aus und gehörte zu den Unterzeichnerinnen der Berliner Erklärung, eines überparteilichen Bündnisses, das sich für einen Anteil von mindestens 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter deutscher Unternehmen engagiert.
•Kanzlerin Merkel und die Union: Die Mehrheit in der Union lehnte eine verbindliche Frauenquote ab. Neben der Arbeitsministerin von der Leyen hatten allerdings noch mehrere Abgeordnete der Union die Berliner Erklärung unterzeichnet und sich öffentlich für eine Frauenquote eingesetzt. Kanzlerin Merkel war im Vorfeld der Bundestagswahl vor allem daran gelegen, eine Spaltung der Partei durch die Frauenquote zu verhindern.
•FDP: Der kleine Koalitionspartner FDP verfolgte eine wirtschaftsliberale Politik, die eine direkte Einmischung in Wirtschaftsbelange ablehnte. Damit war sie auch gegen eine verbindliche Frauenquote.
•Opposition: SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke befürworteten mit breiter Mehrheit die Einführung der verbindlichen Frauenquote.
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